PHOTOGRAPHY

transcendent

Fotoserie 2021
(anknüpfend an die Performance “A door outside: half open half closed”)

 

transcendent 1, 2022, 4/4, 40m x 30cm

 

transcendent 2, 2022, 4/4, 40m x 30cm

 

transcendent 3, 2022, 4/4, 40m x 30cm

 

transcendent 4, 2022, 4/4, 40m x 30cm

 

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SchalTraum

Ausstellung Oberfinanzdirektion 2019 (Fotografien von 2009-2020)

BETWEEN DREAM AND REALITY

( part of a text by Dr. Florian Härle for “SchalTraum” exhibition catalogue)

„ … ABOUT PERFORMATIVE FOTOGRAPHY : Weingärtner chooses the moment carefully for ist must be ideal when she presses the shutterbutton, for example when the shark appears for a short moment in the aquarium and disappears immediatly. In this perspective it becomes clear that the multiple reflections in the photo that look like superimpositions are super impositions. They are superimpositions of reflections of other objects in the picture. But they are not done by later editing. These fotographs are really precise flashes, composed for exactly this very moment: certain different phenomena of light become visible simulatneously. (…) What is she looking for in the visible invisibility? What is her interest in something that can hardly be crasped, this shark in the cinema, the irrational? Eva Weingärtner is looking for formulations of the In-Between. And she finds them in her work with light, in her capturing of fleeting moments (that lies in the realism of the In-Between). It appears to me most understandable to combine fotography and performance to this end. With her performative photos the artist makes us reflect the boundaries of dream and reality wich are probably non existent. (…)“

 

L1,2009, 8/8: 40,5 x 60cm

TRAUMFABRIK1,2019, 8/8, 20 x 36 cm

TRAUMFABRIK1, 2019, 8/8, 20 x 36cm

TRANSCENDERE1, 2017,8/8,37 x 50cm

TRANSCENDERE 1, 2017, 8/8, 37 x 50cm

L2,2018, 8/8, 18 x 32cm

L2, 2018, 8/8, 18 x 32cm

BEHIND THE INNER SCENE1, 2017, 8/8, 40,5 x 60cm

BEHIND THE INNER SCENE1, 2017, 8/8, 40,5 x 60cm

SEE MYSELF1, 2019, 8/8, 20 x 36cm

Traumfabrik A1, 2019, 8/8, 20 x 36cm

TRAUMFABRIK 2, 2019, 8/8, 20 x 36cm

TRAUMFABRIK 2, 2019, 8/8, 20 x 36cm

SEE MYSELF 2, 2019, 8/8, 20 x 36cm

Traumfabrik A2, 2019, 8/8, 20 x 36cm

L3, 2015, 8/8, 18 x 32cm

L3, 2015, 8/8, 18 x 32cm

LUCID1, 2013, 8/8, 20 x 35cm

LUCID1, 2013, 8/8, 20 x 35cm

LUCID 2, 2013, 8/8, 20 x 36cm

LUCID 2, 2013, 8/8, 20 x 36cm

BUDDHIST SELFIE 2, 2018, 8/8, 16 x 21cm

BUDDHIST SELFIE 2, 2018, 8/8, 16 x 21cm

L4, 2009, 8/8, 40,5 x 60cm

L4, 2009, 8/8, 40,5 x 60cm

BEHIND THE INNER SCENE 2, 2017, 8/8, 50 x 33,5cm

BEHIND THE INNER SCENE 2, 2017, 8/8, 50 x 33,5cm

TRAUMFABRIK 3, 2019, 8/8, 16 x 21cm

TRAUMFABRIK 3, 2019, 8/8, 16 x 21cm

BUDDHIST SELFIE1, 2018, 8/8, 16 x 21cm

BUDDHIST SELFIE1, 2018, 8/8, 16 x 21cm

L5, 2009, 8/8, 40,5 x 60cm

L5, 2009, 8/8, 40,5 x 60cm

 

ZWISCHEN TRAUM UND WIRKLICHKEIT

(begleitender Text zur Ausstellung SchalTraum von Dr. Florian Härle)

Die fotografischen Bildwelten von Eva Weingärtner sind höchst ungewöhnlich. Man braucht kein Kunsthistoriker zu sein, um dies festzustellen. Denn sie sind nicht nur ungewöhnlich, beispielsweise auf der Ebene der Komposition, sondern tragen auch Fehler in sich: Spiegelungen im Foto, überbelichtete Stellen, verschwommene Bilder, Ausschnitte, die beliebig erscheinen. Doch man wird schnell stutzig, ob der Fülle von Bildfehlern, denn es gibt sie in jeder Fotografie.

Hierin ist Eva Weingärtner unglaublich stringent: Im Unsicherheit schüren. Sie vermag es mir als Betrachter konsequent den Boden unter den Füßen wegzuziehen – selbst wenn ich mich grade noch so wohl gefühlt habe, in der sicheren Zone meines kleinen Schuhabstreifers der Kunstkritik. Dann fühle ich mich ertappt. Weil ich denke, dass sie uns als Betrachter genau hier haben will, auf einer falschen Fährte und dann ohne festen Boden, ohne definierte ästhetische Grenzen, frei von festgefahrenen Limitierungen, die im Spiel der Kunstbetrachtung doch so hilfreich sein können.

Spiegelungen in Fotos sind zunächst Reflexionen von Licht. Die Künstlerin bezeichnet sie als „Lichtmomente“. Es gibt eine Fotografie in der Ausstellung, die Weingärtner als Aufhänger verwendet, um mir ihren künstlerischen Ansatz zu erläutern. Es ist eine Art Schlüsselfoto für mich geworden. Nach diesem Foto hat sie eine ganze Reihe benannt: die Traumfabrik-Serie. Zu erkennen ist diese Serie an einem seltsamen Grünschleier, der wie eine Superimposition die Stimmung der Bilder dominiert. Doch Eva Weingärtner arbeitet nicht retuschierend mit Photoshop, legt keine Ebenen im Computer übereinander. Die Fotos der Traumfabrik-Serie sind so aufgenommen, wie wir sie sehen.

Auf dem besagten Foto ist ein Filmplakat zu erkennen, das sich in der linken Bildhälfte befindet. Das sich küssende Paar darauf ist kaum auszumachen, denn diese Zone im Foto ist verspiegelt. Darunter ist jedoch der Titel des Filmes zu lesen, spiegelverkehrt und in kapitalen Lettern steht da: „TRAUMFABRIK“. In der Bildmitte befindet sich die Autorin mit Kamera, die auf uns Betrachter*innen gerichtet ist – das Foto ist also eine Art Selfie vor einer spiegelnden Oberfläche.

Vor ihr steht eine junge Frau. Wir sehen sie im Profil, blicken auf ihre rechte Schulter, ihre Augen sind verschlossen. Ein ruhiges Bild, der grüne Schleier mit zarten Blubberbläschen, der wie eine Überblendung über ihr liegt, lässt an einen Tagtraum denken. Die rechte Bildhälfte erlaubt den Blick auf ein Aquarium mit Fischen und man kann sich nicht sicher sein, wie dieses Bildelement ins Foto gekommen ist.

Als wir uns darüber unterhalten beantwortet Eva Weingärtner den fragenden Blick in meinem Gesicht mit den Worten, „Im Kino in Bensheim gibt es ein Aquarium.“ Dann fügt sie noch hinzu, „Und da gibt es auch einen Hai.“ Sie grinst dabei, fast so als ob sie es genießen würde, dass sich mein kurzes Aha-Erlebnis schnell wieder verflüchtigt, durch diese fast surreal anmutende Information.

Zu sehen ist dieses Tier auf einem anderen Foto aus der Traumfabrik-Serie. Übrigens muss man die zusammengehörenden Fotos dieser Serie in der ganzen Ausstellung suchen, denn sie hängen nicht zusammen, sondern sind auf verschiedene Wände verteilt. Dadurch vermischen sich die Fotos aus der Traumfabrik-Serie mit anderen Fotoserien und tauchen immer wieder auf, wie die Fische in diesem deplatzierten Aquarium des Bensheimer Kinos. Für einen Moment sind sie im Sichtfeld und verschwinden dann wieder. Das ist auch so mit dem Hai. Bedrohlich taucht er in der linken Bildhälfte des Fotos auf, schwimmt just in dem Moment vorbei, als der Auslöser gedrückt wird, um sodann wieder im Grün-Schwarz des Aquariums zu verschwinden.

Auf dem Glas des Aquariums spiegelt sich wieder die Autorin der Fotografie. Das Bild ist also auch ein Selfie und auf der rechten Bildhälfte sehen wir wieder diese scheinbar öfters wiederkehrende junge Frau, diesmal in der Rückenansicht. Die rechte Seite ihres Kopfes ist überbelichtet. Noch so ein „Bildfehler“.

Im grellen Gelb der Überbelichtung werden die blonden Haare unsichtbar und die Konturen lösen sich auf. Es scheint dieses Unsichtbarwerden zu sein, das Eva Weingärtner Anlass gibt, um künstlerisch über Licht nachzudenken. Denn Licht erscheint auf diese Weise in vielen ihrer Fotos.

„Licht macht unsichtbar wo es eintritt.“, erklärt mir die Künstlerin und fügt hinzu, „Konturen verschwimmen, Formen werden aufgelöst, Haare werden unsichtbar.“ Eindrücklich ist dieses Bildversprechen eingelöst in einer Fotografie, in der zu sehen ist, wie Licht durch eine Balkontür in einen dunklen Raum eindringt und die Architektur sowie den Umriss der jungen Frau aufzulösen scheint.

Das Licht löst in seiner Funktion nicht nur die Gegenstände im Bild auf. Es macht auch nicht vor der Bildkomposition halt. Diese ist in der besagten Fotografie sehr streng gehalten: Die geraden Linien der Wände, Türzargen und Treppenstufen bilden ein waagrecht und senkrecht geordnetes Liniengefüge. Das Licht macht diese Elemente nicht nur sichtbar, sondern paradoxerweise gleichzeitig auch unsichtbar, indem es in der bereits beschriebenen Form von Überbelichtung die Konturen verschwinden lässt und damit auch das strenge Liniengefüge auflöst.

Wie ihre ideellen Vorfahren, die Impressionisten, spricht Eva Weingärtner auch von Augenblicken, von „Lichtmomenten“. Aber ihr Fokus liegt woanders. Denn sie ist eigentlich Performancekünstlerin und sie benutzt die Fotografie für eine ganz bestimmte künstlerische Aussage. Darüber hinaus arbeitet sie auch nicht nur mit natürlichem Licht, sondern beispielsweise auch mit dem Licht von Video-Projektoren.

Der gemeinsame Nenner ihrer Fotografien liegt in der Formauflösung, im Unsichtbarwerden durch Licht und im Ephemeren, in der Flüchtigkeit eines Momentes, in dem sich dieses Paradoxon von Sichtbar- und Unsichtbarwerden erfüllt. Und diesen führt sie herbei.

Der Moment wird von Weingärtner vorsichtig gewählt, denn er muss ideal sein, wenn sie den Auslöser drückt, beispielsweise wenn dieser Hai für einen kurzen Augenblick im Aquarium sichtbar wird und gleich wieder verschwindet. In dieser Perspektive wird deutlich, dass die vielfachen Spiegelungen im Foto, die wie Superimpositionen aussehen, schon auch Super-Impositionen sind: Es sind Überlagerungen von Spiegelungen auf anderen Gegenständen im Bild. Sie wurden aber nicht nachträglich hergestellt: Diese Fotos sind äußert präzise, auf den Moment hin komponierte Augenblicke, in denen gleichzeitig mehrere ganz bestimmte Lichtphänomene sichtbar werden.

Das Phänomen ist etwas, „was sich beobachten, wahrnehmen lässt; eine [bemerkenswerte] Erscheinung“. Und wenn etwas phänomenal wird, dann bedeutet dies, dass sich etwas zeigt. Wie in einer Performance: Im performativen Prozess einer künstlerischen Handlung, die meist von der Künstlerin oder dem Künstler selbst ausgeführt wird, entsteht das Werk vor den Augen der Wahrnehmenden. Hierbei wird Bedeutung durch die Form der Performance „phänomenal“.

Eva Weingärtner hält in ihren Fotos also komplexe flüchtige Augenblicke als Lichtphänomene fotografisch fest. Und die fotografischen Faux-pas, die ich vorher als „Fehler im Bild“ bezeichnet habe, sind offensichtlich nicht nur Nebenprodukte, die in Kauf genommen werden. Vielmehr werden diese Imperfektionen gezielt herbeigeführt oder besser gesagt: inszeniert.

Auf einem anderen Foto, wieder eine Art Selfie, eine Selbstinszenierung mit Lichtphänomen, ist die Künstlerin zu sehen, wie sie sich ein Mobiltelefon vors Gesicht hält. Vielmehr hält sie das Gerät so, dass es einen Schatten wirft auf ihr Gesicht, das dadurch überhaupt erst sichtbar wird. Alle anderen Partien sind stark überbelichtet und werden daher unsichtbar. Die Art und Weise, wie das Foto entstanden ist, muss man sich vor Augen führen: Die Künstlerin steht im Lichtstrahl eines Video-Projektors, hält sich das Mobiltelefon vor´s Gesicht und drückt ab.

Die meisten fotografischen Inszenierungen von Weingärtner sind von einer solchen stark formalen Gewichtung. Doch man bemerkt schnell, dass da immer auch etwas Inhaltliches mitschwingt, das nicht unbeachtet bleiben sollte, etwas, das leicht neben der Realität zu liegen scheint oder einer anderen „Sphäre“ entspringt: Weingärtners Fotos tragen etwas Surreales und vielleicht sogar Unheimliches in sich.

Was untersucht die Künstlerin in solch seltsamen Lichtmomenten, in denen sich Formen auflösen? Was sucht sie im sichtbaren Unsichtbaren? Was interessiert sie an diesem schwer Greifbaren, an diesem Hai im Kino, am Irrationalen?

Den Schlüssel zur Antwort hat die fotografierende Performancekünstlerin in die Traumfabrik-Serie gelegt, in diese kapitalen Lettern. Meines Erachtens sucht Eva Weingärtner nach Formulierungen für das Dazwischenliegende und findet diese in der Arbeit mit Licht, in der Fixierung von nicht greifbaren, flüchtigen Momenten, die in Zwischenbereichen liegen. Die Kunstformen Fotografie und Performance dafür zu verbinden, erscheint mir strategisch äußerst plausibel. Durch ihre performativen Fotografien lässt uns die Künstlerin nachdenken über die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, die es wahrscheinlich gar nicht gibt.

(KANN VERLAG, ISBN978-3-943619-81-2)