Der Name Herr Herrmann ist erfunden
„(…) Eva Weingärtner braucht ein Minimum von Requisiten, z.B. eine Zigarettenschachtel, wenn sie zeigt wie eine Patientin in der Psychiatrie, wo die Künstlerin als Praktikantin tätig ist, rauchen wollte, nicht durfte, es sich zitternd verweigert. – Die Kleidung ist das was zu Hause in ihrem Schrank hängt. Eva Weingärtner vertraut ganz auf sich selbst, auf ihre alleinige Präsenz.
Immer wieder sind es Borderline-Situationen, die Eva Weingärtner erzählt, Grenzsituationen, in der ihre Wahrnehmung kleinste Verschiebungen, filigrane Verflechtungen wahrnimmt. Eingespielte, ins Absurde abdriftende Rituale werden mit wenigen Gesten ausgeleuchtet. Sie tut es mit einer Glaubwürdigkeit, dass das Erzählte zur Skulptur wird, genährt von ihrer Stimme, ihrer Gestik und Mimik. Selten sind es exzessive, häufig minimale Erschütterungen, die sie zum Ausdruck bringt. (…)
Im selben Video, in dem Eva Weingärtner als Praktikantin die Sängerin spielt, bzw. von ihr berichtet, wie sie ständig um ihren Auftritt bangt, … verleiht sie auch einem Herrn Hermann ein Gesicht. Die männliche Rolle ist ihr nicht weniger auf den Leib geschnitten. Etwas angewidert erzählt sie von den dicken, gelben Fußnägeln, die über die Pantinen ragen, zeigt in der Rolle des Herrn Hermann – sie ist Herr Hermann – den Ärzten, wo es ihn ständig juckt, unter dem linken Arm und knapp über der Scham, entblößt sich dabei, macht mit Gesten und aufgeregt grölender Stimme deutlich wie Herr Hermann sich gebärdet und verbirgt nicht ihre Sympathie für Menschen, die sich in Traumbereichen bewegen. (…)“
Jean Christophe Ammann über „Der Name Herr Herrmann ist erfunden“ für ZWISCHEN ZWEI, Katalogprojekt KANNVerlag 2011
„(…) Eva Weingärtner needs a minimum of props, e.g. a pack of cigarettes, when she shows how a patient in a psychiatric ward, where the artist works as an intern, wanted to smoke, was not allowed to, and tremblingly refuses to do so. – The clothes are what hangs in her wardrobe at home. Eva Weingärtner relies entirely on herself, on her sole presence.
Again and again, Eva Weingärtner narrates borderline situations, borderline situations in which her perception perceives the smallest shifts, filigree entanglements. Rehearsed rituals that drift into the absurd are illuminated with just a few gestures. She does this with such credibility that the narrative becomes a sculpture, nourished by her voice, gestures and facial expressions. She rarely expresses excessive, often minimal shocks. (…)
In the same video in which Eva Weingärtner plays the singer as a trainee, or rather reports on how she constantly fears for her performance, … she also gives a face to a Mr. Hermann. The male role is no less tailor-made for her. Somewhat disgusted, she talks about the thick, yellow toenails that protrude over the panties, shows the doctors in the role of Mr. Hermann – she is Mr. Hermann – where he is constantly itching, under his left arm and just above the pubic area, exposes herself, makes it clear with gestures and an excitedly bellowing voice how Mr. Hermann behaves and does not hide her sympathy for people who move in dream areas. (…)“
Jean Christophe Ammann on “Der Name Herr Herrmann ist erfunden” for ZWISCHEN ZWEI, catalog project KANNVerlag 2011
Als Praktikantin in der Psychosestation durfte ich Kaffee kochen und an den Visiten teilnehmen, beginnt die Erzählung. Aus der Position der Erzählerin schlüpfe ich in verschiedene Rollen von Patienten und Ärzten. Der distanzlose Herr Herrmann, der jedem seine Abzesse zeigen will, die nervöse Frau, die denkt , sie sei Countrysängerin beim Radio, der Patient, der eigentlich nur kuckt und gerade deswegen merkwürdige Reaktionen bei den Ärzten hervorruft. Ist es die Künstlerin und ehemalige Praktikantin, die von ihren Erfahrungen berichtet oder ist es die Patientin, die glaubt sie sei Künstlerin, die die Geschichte erzählt und selbst ein Teil von ihr ist?
„Der Name Herr Herrmann ist erfunden„
Videoperformance, 2009, 14´56min
Kamera: Jörg Simon
As a trainee in the psychiatric ward, I was allowed to make coffee and take part in the ward rounds, the story begins. From the position of the narrator, I slip into various roles of patients and doctors. The aloof Mr. Herrmann, who wants to show everyone his abscesses, the nervous woman who thinks she’s a country singer on the radio, the patient who actually just stares and therefore causes strange reactions from the doctors. Is it the artist and former intern who reports on her experiences or is it the patient who believes she is an artist, who tells the story and is herself a part of it?
„Der Name Herr Herrmann ist erfunden„
Videoperformance, 2009, 14´56min
Camera: Jörg Simon