"we are one" Kunsthalle Mainz
Fotographer: ©Norbert Migulez
3.2.2012-22.4.2012
„Eva Weingärtner tritt in ihren bis herigen Videofilmen bzw. Videoperformances ausnahmslos selbst als Akteurin auf. Es sind kammerspielartige Aufführungen, in denen die Künstlerin in verschiedene Rollen schlüpft oder sich ein Alter Ego schafft, wie in dem Video „2me“, in dem sie ihr eigenes Spiegelbild küsst, liebkost oder mit ihm ins Sehnen gerät. In einem anderen Video wird der Betrachter Zeuge eines Dialogs, in dem die Beteiligten (beide von Weingärtner gespielt) um die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von (richtiger) Liebe ringen. Das Individuum, ins-besondere das weibliche, kreative Individuum muss hier bei sein Verhältnis zur unmittelbaren Umgebung, aber auch zur Gesellschaft ausloten, einen Standpunkt finden und bis weilen aufgeben. Immer wieder wird die Problematik von Fremd- und Eigenwahrnehmung gestreift sowie existenziell bedeutsame oder tragikomische Verhaltensweisen, die sich daraus ergeben können, insbesondere wenn es um das Zeigen oder Verbergen von Stärke und Schwäche geht. Der Betrachter wird mit intimen zwischenmenschlichen Szenen konfrontiert, in denen das Misslingen von Vertrauen, Kommunikation und Anerkennung wiederkehrend auftaucht. Er ist in der Rolle des Beobachters, der zwangsläufig zum Voyeur des Geschehens wird, ohne der Schaulust frönen zu können. Höchst intime Momente, die Gedanken an alltägliche Begebenheiten hervorrufen, transformiert die Künstlerin mit Mitteln des darstellerischen Spiels in äußerst präzise Artefakte, die die Ebene des Persönlichen verlassen und die Protagonistin zur Mittlerin von unausweichlichen Fragestellungen macht, in die das gesellschaftlich kommunikative Individuum verstrickt und in denen es meistens sogar gefangen ist. Das intensive Spiel der Künstlerin macht alle Arbeiten zu starken Erlebnissen, die das Potenzial haben zu verstören.“
Nathalie de Ligt, anlässlich der Ausstellung “we are one” 2012 Kunsthalle Mainz
In der Ausstellung waren die Werke „we are one“ (Videoperformance 2011), „2me“ (Videoperformance 2010), „the only thing that`s real“ ( Videoperformance 2010), „…immer das Gleiche“ (Videoperformance 2011), „All my drams fullfill (Videoperformance 2012), sowie 2 Texte aus der Textsammlung AFFEN UND SCHLANGEN (2012), die als hörbare Installation im oberen Teil der Ausstellung zu finden waren. Der eine Text „Der gelbe Albinotigerpython“ ist in Ausschnitten weiter unten zu lesen. Der andere Text aus der Installation „A tut B vor C“ bezieht sich direkt auf die Videoperformance „all my dreams fullfill“, die im unteren Stockwerk der Kunsthalle installiert war. Er thematisiert Performance selbst als Vorgang ( A tut B vor C), der mit einem Amateurporno verglichen wird. Damit stellt die Künstlerin ihren eigenen Narzissmus und den Wunsch nach Anerkennung um jeden Preis in Frage.
Das Video „we are one“ ist unter
https://blinkvideo.de/?scope=artists&id=43
zu finden.
3.2.2012-22.4.2012
„In her video films and video performances to date, Eva Weingärtner has invariably appeared as an actor herself. They are chamber play-like performances in which the artist slips into various roles or creates an alter ego for herself, as in the video “2me”, in which she kisses, caresses or makes love to her own reflection. In another video, the viewer witnesses a dialog in which the participants (both played by Wein-gärtner) wrestle with the possibility or impossibility of (real) love. The individual, in particular the female, creative individual, must sound out his relationship to his immediate surroundings, but also to society, find a point of view and sometimes give it up. The problems of self-perception and the perception of others are repeatedly touched upon, as well as existentially significant or tragicomic behaviors that can result from this, especially when it comes to showing or hiding strength and weakness. The viewer is confronted with intimate interpersonal scenes in which the failure of trust, communication and recognition recurs. He is in the role of the observer, who inevitably becomes a voyeur of what is happening, without being able to indulge his desire to look. The artist transforms highly intimate moments, which evoke thoughts of everyday occurrences, into extremely precise artifacts by means of dramatic play, which leave the level of the personal and make the protagonist the mediator of inescapable questions in which the social-communicative individual is entangled and in which he or she is usually even trapped. The artist’s intense play turns all of her works into powerful experiences that have the potential to disturb.“
Nathalie de Ligt, on the occasion of the exhibition “we are one” 2012 Kunsthalle Mainz
In the exhibition were the works “we are one” (video performance 2011), ‘2me’ (video performance 2010), “the only thing that`s real” (video performance 2010), “…always the same” (video performance 2011), „All my drams fullfill (video performance 2012), as well as 2 texts from the text collection AFFEN UND SCHLANGEN (2012), which could be found as an audible installation in the upper part of the exhibition. Excerpts of one text, “The yellow albino tiger python”, can be read below. The other text from the installation “A does B before C” refers directly to the video performance “all my dreams fullfill”, which was installed on the lower floor of the Kunsthalle. It thematizes performance itself as a process ( A does B before C), which is compared to amateur porn. The artist thus questions her own narcissism and the desire for recognition at any price.
The video „we are one“ can be found at
https://blinkvideo.de/?scope=artists&id=43
AFFEN UND SCHLANGEN ist eine Sammlung fiktiver Texte, die das Leben der Künstlerin Eva Weingärtner beschreiben. Teile aus der Ich-Perspektive geschrieben, Teile beschreiben Eva Weingärtner in der 3. Person. Die Texte bewegen sich zwischen Innensicht und Draufsicht, reflektieren u.a. Arbeiten und Arbeitsweise der Künstlerin aus Sicht eines Betrachters oder nehmen Bezug zu bestimmten Arbeiten, die durch die Reflektion im Text eine weitere Dimension erhalten.
In der Kunsthalle Mainz wurden erstmals 2 dieser Texte als Teil einer Installation veröffentlicht.
(…) Weil das Buch ja AFFEN UND SCHLANGEN heißt, dachte ich daran, für das Titelbild Fotos zu machen mit einer Schlange oder mit einem Affen oder beidem. Ich stellte mir zu Anfang einen roten Hintergrund vor, ich mit meinen schicken High Heels, die vorne den großen Zeh rausschaun lassen, und einem kurzen schwarzen Rock, auf einem Stuhl sitzend, um meine Schultern lässig eine Schlange, graugemustert, nicht weiß oder so (igitt), daneben ein Affe. Wo kriegt man jetzt zwei solche Tiere her? Und was hab ich obenrum an? Gar nichts? Oder so ein shirt, das nur über die eine Schulter Stoff hat und die andere frei lässt, am besten in dunkelrot. Erstmal war das so ein Bild. Und ich dachte an alle anderen coolen Performancekünstler mit Schlangen, und ich war richtig aufgeregt mit der Idee. Zuerst ist mir eingefallen, dass der Affe sich nicht so einfach gleichzeitig mit der Schlange fotografieren lässt, da Affen Angst vor Schlangen haben. Dann ist mir eingefallen, dass ich wahrscheinlich nicht so einfach lässig da sitzen werde, weil ich auch Angst vor der Schlange habe und womöglich auch vor dem Affen, … naja, … man kann ja einen kleinen Affen nehmen. Ich hatte noch nie was mit einer Schlange, ich kann also noch nicht wissen, ob ich Angst vor ihr haben werde. Ich werde das herausfinden. Und den Affen, den kann man ja später noch dazubauen, mit Fotoshop, das geht ganz einfach. Muss mir nur vorher überlegen, wo der Affe hin soll, und dann mach ich einfach zwei Fotos, eins mit mir und der Schlange, und von der gleichen Stelle eins nur mit dem Affen.
Ich habe dann einen Mann ausfindig gemacht, der Schlangen zu Fotozwecken ausleiht, natürlich kommt er selbst auch mit und passt auf. Schon das Telefonat mit ihm war reichlich merkwürdig. Ich wollte ja nicht ungesehn einfach so eine Schlange buchen, da ich ja nicht mal weiß, wie ich reagiere, wenn ich einer Schlange begegne. Ich wollte die Schlange vor dem vereinbarten Termin einmal zu Gesicht bekommen, um zu entscheiden, ob das überhaupt die richtige Schlange für mich ist. Wie ich denn aussehen würde, ah, klein und dunkelhaarig, mh … da passt ne gelbe Schlange am besten. So 2 Meter lang. Na ja, kleiner würde mir auch reichen. Nein, meint er, das sieht man dann gar nicht mehr auf dem Foto. Er bestellt mich dann in eine Bar, in der er Alligatoren füttert am Freitagabend, dahin würde er dann die Schlange mitnehmen. Ich frage ihn, ob er sich meinen Namen aufschreiben will, da sagt er, nein, den hat er sowieso in 5 min wieder vergessen. Er würde mit so vielen Menschen arbeiten, Frank Elstner, Heidi Klum und so weiter, mein Name sei da nicht wichtig. Irgendwie gefällt mir das nicht, ich will meinen Namen sagen. Ich sage meinen Namen, Eva, da lacht er sich kaputt, ja, mit der Schlange, sehr originell. Vielleicht hätte ich was anderes sagen sollen.
(…)
Textausschnitt aus „Der gelbe Albinotigerpython“, 2012
AFFEN UND SCHLANGEN is a collection of fictional texts describing the life of the artist Eva Weingärtner. Parts are written from the first-person perspective, parts describe Eva Weingärtner in the third person. The texts move between an inside view and a top view, reflecting, among other things, the artist’s work and working methods from the perspective of an observer or making reference to specific works, which are given a further dimension through the reflection in the text. In Kunsthalle Mainz, 2 of these texts were published for the first time as part of an installation.
(…) Because the book is called AFFEN UND SCHLANGEN, I thought about taking photos of a snake or a monkey or both for the cover. At the beginning I imagined a red background, me with my fancy high heels that let my big toe peek out at the front and a short black skirt, sitting on a chair, a snake casually around my shoulders, gray-patterned, not white or anything (yuck), a monkey next to it. Where do you get two animals like that? And what am I wearing on top? Nothing at all? Or a shirt that only has fabric over one shoulder and leaves the other one free, preferably in dark red. At first, that was a picture. And I thought of all the other cool performance artists with snakes, and I was really excited about the idea. First I remembered that the monkey can’t easily be photographed at the same time as the snake, because monkeys are afraid of snakes. Then it occurred to me that I probably wouldn’t sit there casually because I’m also afraid of the snake and possibly the monkey too, … well, … you could always take a small monkey. I’ve never had anything to do with a snake, so I can’t know yet if I’ll be scared of them. I’ll find out. And the monkey, you can add it later with Photoshop, it’s really easy. I just have to think about where the monkey should go beforehand and then I just take two photos, one with me and the snake, and one of the same spot with just the monkey.
I then found a man who lends out snakes for photo purposes, and of course he comes along himself and keeps an eye on them. Even the phone call with him was pretty strange. I didn’t want to book a snake just like that, because I don’t even know how I would react if I met a snake. I wanted to see the queue before the agreed appointment to decide whether it was the right queue for me. What I would look like, ah, small and dark-haired, well … a yellow snake would suit me best. About 2 meters long. Well, smaller would be enough for me. No, he says, you won’t be able to see that in the photo. He then orders me to a bar where he feeds alligators on Friday evening and he’ll take the snake there. I ask him if he wants to write my name down and he says no, he’ll forget it in five minutes anyway. He works with so many people, Frank Elstner, Heidi Klum and so on, my name isn’t important. Somehow I don’t like that, I want to say my name. I say my name, Eva, he laughs so hard, yes, with the snake, very original. Maybe I should have said something else.
(…)
Text excerpt from “The yellow albino tiger python”, 2012
